Know-How
03.04.2024
Grüner Wasserstoff - Von der Herstellung & Speicherung bis zur Verwendung - Ein kurzer Überblick
Autorin: Nancy Kolb
Der Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung führt über grünen Wasserstoff, eine Schlüsseltechnologie mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die Grundlagen, die Herstellung, Speicherung, Vor- und Nachteile sowie die Bedeutung von grünem Wasserstoff.
Was ist grüner Wasserstoff?
Grüner Wasserstoff wird nachhaltig und klimaneutral hergestellt, indem Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Die für die Elektrolyse benötigte Energie stammt aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie. Im Vergleich zu anderen Wasserstoffarten, wie blauem oder grauem Wasserstoff, entstehen bei der Produktion von grünem Wasserstoff keine CO2-Emissionen.
Unterschied zu gelbem, blauem und grauem Wasserstoff:
Gelber Wasserstoff: Entsteht genauso wie beim grünen Wasserstoff mittels Wasserelektrolyse, allerdings wird hier als Ausgangsstoff Strom aus dem allgemeinen Stromnetz (Strommix) verwendet. Er unterscheidet sich von grünem Wasserstoff, da die bereitgestellte Energie aus erneuerbaren und fossilen Quellen stammt und damit nicht klimaneutral ist. Hier kann der Strominput jedoch konstant gehalten werden, sodass die Wasserstoffproduktionsmenge weniger starken Schwankungen unterliegt als bei Strom aus ausschließlich erneuerbaren Energiequellen.
Blauer Wasserstoff: Resultiert aus der Dampfreformierung von Kohlenwasserstoffen, vor allem aus Erdgas. Dabei entsteht CO2, das unterirdisch mittels Carbon Capture and Storage Technik (CCS) gespeichert wird. Dabei wird das produzierte CO2 mind. 800 Meter tief unter der Erde in ein Speichergestein gepresst. Dafür in Frage kommen zum Beispiel Gas- & Öllagerstätten und salzwasserführende Gesteinsschichten. Dieses Verfahren ist in der Industrie weit verbreitet, ist aber nicht klimaneutral, auch wenn das Gas nicht mehr in die Atmosphäre entweichen kann. Blauer Wasserstoff wird als Übergangslösung angesehen, bis ausschließlich grüner Wasserstoff hergestellt werden kann. Durch die Abscheidung und Speicherung des Kohlenstoffdioxids entstehen zusätzliche Kosten, was die Bereitstellung kostenintensiver macht als die von grauem Wasserstoff.
Grauer Wasserstoff: Entsteht ebenfalls wie blauer Wasserstoff durch Dampfreformierung, allerdings wird hier das resultierende CO2 nicht gespeichert, sondern einfach in die Atmosphäre ausgestoßen. Bei der Produktion von 1 Tonne Wasserstoff fallen 10 Tonnen Kohlenstoffdioxid als Nebenprodukt mit an. Aktuell ist der Großteil des erzeugten Wasserstoffs in Deutschland grauer Wasserstoff und macht etwa 40 % aus. Zwar hat diese Methode niedrige Erzeugerkosten, sie ist aber so emissionsintensiv, dass sie schnell gegen klimafreundliche Erzeugungsarten ersetzt werden muss.
Wie wird grüner Wasserstoff hergestellt?
Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse hergestellt, bei der Wasser durch elektrische Energie in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Die chemischen Verbindungen der Wassermoleküle werden mithilfe von 2 Elektroden in H2 und O2 aufgespalten. Der Sauerstoff wird über die Oxidation an der Anode erzeugt, während an der Kathode die Reduktion stattfindet, bei der Wasserstoff entsteht. Der Strom für die Elektrolyse wird mittels Gleichstromquelle bereitgestellt und stammt aus erneuerbaren Energien. Dadurch entstehen während der gesamten Produktion keine Emissionen. Dieses Verfahren, als Power-to-Gas bezeichnet, ist Teil der Power-to-X-Technologie, die Strom in verschiedene nützliche Anwendungsformen umwandelt.
Es gibt verschiedene Arten der Elektrolysetechnologie, die nach dem verwendeten Elektrolyten, der Betriebstemperatur und nach dem Aufbau der Elektrolysezelle unterschieden werden. Bisher haben sich hauptsächlich die alkalische Elektrolyse (AEL) und die Polymer-Elektrolyt-Membran-Elektrolyse (PEM) durchgesetzt.
Wie hoch ist die Effizienz bei der Herstellung von grünem Wasserstoff?
Die Effizienz von Elektrolyseuren liegt bei etwa 70%, was bedeutet, dass rund 30% der eingesetzten Energie nicht im Wasserstoff gebunden werden können. Diese Verluste werden teilweise durch die Nutzung der Elektrolyseabwärme für Nah- und Fernwärmenetze kompensiert.
Wie wird grüner Wasserstoff gespeichert?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Speicherung von grünem Wasserstoff, darunter Druckgasspeicher oder das LOHC-Verfahren.
Welche Arten von Druckgasspeichern gibt es?
Die Speicherung des Wasserstoffs kann oberirdisch in verhältnismäßig kleinen Gasspeichern erfolgen. Unter der Erdoberfläche gibt es ein wesentlich größeres Speicherpotential in Hohlraumspeichern (Kavernen). Dafür sollen z.B. bereits vorhandene Salzkavernen genutzt werden. Der Interessenverband Gas Infrastructure Europe (GIE) gibt an, dass es in Deutschland ein Speicherpotenzial von 40 Terawattstunden Wasserstoff in Kavernen gibt. Damit könnten sie eine langfristige und ortsunabhängige Energieversorgung sicherstellen.
Künstlich angelegte Salzkavernen mit einem Durchmesser von bis zu 100 m & einer Höhe von 50 bis 500 m bieten ein Speichervolumen von bis zu 800.000 Kubikmeter. Da der Wasserstoff nicht mit dem Salzgestein reagiert eignen sich diese Kavernen besonders gut zur Speicherung von Wasserstoff. In einer Tiefe von 800 bis 1.500 m kann ein maximales Druckniveau von bis zu 200 bar erreicht werden und das ganz ohne zusätzliche Abdichtungsmaßnahmen.
Aktuelle Berechnungen nehmen an, dass für den Umbau von Kavernenspeichern zur Speicherung von Wasserstoff nur 30 Prozent der Kosten für den eines Kavernenneubaus anfallen. Die Vorlaufzeit bis zur tatsächlichen Nutzung als H2-Speichers betragen etwa 5 bis maximal 10 Jahre. Das Gesamtinvestitionsvolumen zur Umrüstung der Kavernen in Deutschland wird auf 6,5 Mrd. € bis 2030 bzw. 30 Mrd. € bis 2050 geschätzt. Das ist im Vergleich viel günstiger, als wenn die Energiemenge in Batterien gespeichert wird. Batteriespeicher benötigen in der gleichen Größenordnung etwa 100-mal mehr Kosten.
Was ist das LOHC-Verfahren?
Die Kurzform LOHC steht für Liquid Organic Hydrogen Carrier. Hierbei wird der Wasserstoff in eine organische Trägerflüssigkeit überführt. Da der Wasserstoff nicht in gasförmiger, sondern dann in flüssiger Form an die Trägerflüssigkeit gebunden ist, wird dieses Verfahren als gefahrlos eingestuft. Nach der Elektrolyse wird der Wasserstoff mittels einem Hydrierer an die Trägerflüssigkeit gebunden und die wasserstoffgeladene Flüssigkeit wird mit Hx-LOHC gekennzeichnet. Anschließend wird das Hx-LOHC mittels LKW zum Wasserstoffabnehmer transportiert. Beim Verbraucher wird der Wasserstoff wieder aus der Trägerflüssigkeit freigesetzt. Ist der Wasserstoff dann aus der Trägerflüssigkeit verbraucht, wird diese mit H0-LOHC gekennzeichnet und mittels LKW wieder zum Wasserstofferzeuger zurückgebracht. Vereinfachend kann man sich die Trägerflüssigkeit also wie einen Akku vorstellen, der mit Wasserstoff beladen wird und H2 auch wieder freisetzen kann.
Energiegehalt und Nutzung von grünem Wasserstoff:
Zur Herstellung von einer Tonne grünem Wasserstoff werden 50.000 kWh grüner Strom benötigt. Durch die Umwandlungsverluste enthält eine Tonne Wasserstoff nur noch eine Energiemenge von 33.330 kWh. Laut dem Stromspiegel für Deutschland 2022/23 könnten damit rund 11 Drei-Personenhaushalte ein Jahr mit Strom und Wärme versorgt werden (Einfamilienhaus mit 3.000 kWh pro Jahr in Kategorie A & Wohnung in Mehrfamilienhaus mit 3.000 kWh pro Jahr in Kategorie B).
Eine Tonne Heizöl besitzt nur eine Energiemenge von ca. 10.000 kWh und enthält im Vergleich damit max. ein Drittel der Energiemenge von Wasserstoff.
Vorteile grüner Wasserstoff:
vollständig klimaneutral
vielseitig einsetzbar
diverse Speichermöglichkeiten
keine Batterietechnologie
Nachteile grüner Wasserstoff:
hoher Energiebedarf
keine Infrastruktur für deckende Nutzung
Speicherung nur unter hohem Druckniveau (350 oder 700 bar), extrem kalten Temperaturen (-253 °C) oder über LOHC-Technologie möglich
Umstellung vieler industrieller Produktionsprozesse auf wasserstoffbasierte Anlagen ist teuer
Bedeutung und Verwendung von grünem Wasserstoff:
Grüner Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle in der Energiewende, da er in verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie und Energieversorgung eingesetzt werden kann. Derzeit beträgt der Anteil von grünem Wasserstoff am Gesamtwasserstoffverbrauch in Deutschland lediglich 5%, aber sein Einsatz wird in den kommenden Jahren erheblich steigen.
Dabei sollte der saubere Wasserstoff vor allem in folgenden Bereichen zum Einsatz kommen:
als Rohstoff für die chemische Industrie, z.B. zur Herstellung von Ammoniak, Düngemitteln und Methanol,
um Kohle in der Stahlindustrie zu ersetzen,
zur Entschwefelung von Brennstoff,
als langfristiger Energiespeicher:
Ausgleich von schwankendem Strombedarf,
zeitliche und örtliche Entkopplung zwischen Erzeugung und Verbrauch ➝ beispielsweise müssten Windparks nicht mehr kurzfristig abgeregelt werden, weil das Stromnetz nicht mehr Elektrizität aufnehmen kann,
Kraftstoff für emissionsfreien Verkehr und wo die Nutzung von E-Fahrzeugen wenig effizient ist:
direkt für Wasserstofffahrzeuge mit Wasserstofftankstellen-Infrastruktur oder
indirekt mit Herstellung von E-Fuels aus Wasserstoff & CO2 (z.B. für die Schifffahrt),
alternativer Treibstoff in der Brennstoffzelle:
Umwandlung von H2 in Strom & Wärme: Schwankungen im Stromnetz ausgleichen, Häuser beheizen & autarke Stromversorgung in Micro Grids.
zur Einspeisung in Erdgasnetze:
direkt mit einem Anteil von bis zu 20 % grünem Wasserstoff,
indirekt als Methangas über die Methanisierung von Wasserstoff.
Wie hoch ist der Bedarf an grünem Wasserstoff in Deutschland?
In 2020 betrug der Anteil an grünem Wasserstoff am Gesamtwasserstoffverbrauch in Deutschland nur 5 %. Der Bedarf an grünem Wasserstoff kann innerdeutsch nicht gedeckt werden, weshalb Importe, insbesondere aus sonnen- und windreichen Regionen wie Marokko, Namibia und Chile, notwendig sind. Hierbei dürfen Entwicklungsländer nicht durch reiche Industrieländer ausgebeutet werden. An erster Stelle einer Meerwasserentsalzungsanlage muss Trinkwasser vor dem reinen Wasser für die Elektrolyse stehen. Photovoltaikanalagen sollen zuerst den Strombedarf vor Ort decken und erst danach soll Wasserstoff für den Export hergestellt werden.
Wie teuer ist die Herstellung von grünem Wasserstoff?
Generell gilt, dass grüner Wasserstoff umso günstiger hergestellt werden kann, je günstiger die dafür benötigen erneuerbaren Energien erzeugt werden können. Genaue Werte für den Bau einer Wasserstoffproduktionsstätte (Investitionskosten = CAPEX) und deren Betrieb (Betriebskosten = OPEX) können mittels Edgar HyPro ermittelt werden.
Fazit:
Grüner Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiezukunft. Trotz der aktuellen Herausforderungen wie hohem Energiebedarf und fehlender Infrastruktur sind die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und die Klimaneutralität von grünem Wasserstoff vielversprechend für die Gestaltung einer nachhaltigen und emissionsfreien Zukunft.
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Nancy Kolb | Innovations-Assistentin in der Rolle Customer Experience Engineer