Know-How
09.04.2024
PV-Strom zur Wasserstoffproduktion nutzen - Was gilt es zu beachten?
Autor: Robin Neuber
Immer mehr Busunternehmen werden in Zukunft Wasserstoffbusse in ihren Fuhrpark integrieren. Größere Bestellungen haben beispielsweise die Saarbahn GmbH als auch rebus Regionalbus Rostock GmbH ausgelöst. Bei rebus werden die neuen 52 Wasserstoffbusse schrittweise einen Teil der bestehenden Dieselflotte (aktuell 170 Fahrzeuge) ersetzen.
Neben dem Erwerb der Busse ist die Planung und der Bau der Infrastruktur zur Betankung ein wichtiger Aspekt. Beide oben genannten Busunternehmen beabsichtigen die Errichtung von mindestens einer Wasserstofftankstelle (engl. Hydrogen Refueling Station, HRS) auf ihren Betriebshöfen. In unserem vorangegangenem Artikel zum Aufbau einer Wasserstofftankstelle haben wir bereits erläutert, dass mehrere Optionen existieren, eine HRS mit dem benötigten Wasserstoff zu versorgen. Üblich ist eine Trailer-Anlieferung per Lkw durch einen Produzenten von - idealerweise grünen - Wasserstoff. Es ist jedoch ebenfalls möglich, dass der Wasserstoff vor Ort - direkt auf dem Betriebshof des Busunternehmens - durch eine eigene Wasserstoff-Produktionsanlage erzeugt wird. Bei dieser Entscheidung müssen Marktpreise und Transportkosten mit den eigenen Wasserstoff-Herstellungskosten vor Ort verglichen werden. Diese klassische "Make-or-Buy" Entscheidung wollen wir in diesem Wissensbeitrag mit wichtigen Informationen untermauern.
Viele Gewerbebetriebe und Busunternehmen verfügen bereits über größere Photovoltaik (PV)-Anlagen auf den Dächern ihrer Gebäude. Daher liegt der Gedanke nahe, diesen vor Ort verfügbaren erneuerbaren Strom aus der PV-Anlage zur Wasserstoffproduktion mittels einer Elektrolyseanlage zu nutzen, um die HRS mit dem benötigen (grünen) Wasserstoff zu versorgen. Nachfolgende Case Study für einen Betriebshof eines Busunternehmens soll ihnen aufzeigen, welche Faktoren dabei zu berücksichtigen sind.
Randbedingungen (Key Facts) der Case Study:
Die Busflotte besteht aus 12 Wasserstoff-Fahrzeugen, wobei jeder Bus jeden 2. Tag betankt werden muss
Täglich müssen demnach sechs Wasserstoffbusse betankt werden (34 kg Wasserstoff pro Tankvorgang)
PV-Dachanlage mit einer Leistung von 3,8 MWp
Elektrolyseur mit einer Nennleistung von 1 MW (max. Produktionsrate ca. 18 kg/h)
Annahme: Ausschließlich PV-Strom soll zur Wasserstoffproduktion eingesetzt werden
Erzeugungspotenziale der PV-Anlage
In Abbildung 1 ist das Produktionsprofil der PV-Anlage an einem sonnigen Sommertag als Referenz dargestellt. Bilanziell werden über den Tag ca. 29 MWh erzeugt. Abbildung 2 zeigt vergleichsweise das Produktionsprofil an einem Referenztag im Winter, wobei bilanziell hier nur ca. 2,5 MWh erzeugt werden.
Wie viel Wasserstoff kann durch den Elektrolyseur erzeugt werden?
Die saisonalen und tageszeitlichen Varianzen der PV-Anlage wirken sich ebenfalls auf die Wasserstoffproduktion aus. Der Elektrolyseur schaltet zu, sobald eine untere Lastgrenze von ca. 10 % (100 kW) erreicht ist. Diese untere Lastgrenze variiert je nach eingesetztem Elektrolyseur (Unterschiede zwischen PEM- und AEL-Technologie).
Abbildung 3 zeigt, dass dies im Sommer ab 5 Uhr der Fall ist und der Elektrolyseur gegen 7 Uhr bereits seine maximale Leistungsaufnahme von 1.000 kW erreicht. Die darüber hinausgehenden Stromüberschüsse werden ins Netz eingespeist oder an weitere Stromverbraucher des Busdepots geliefert. Der Elektrolyseur könnte gemäß dem Produktionsprofil aus Abbildung 4 an einem solchen Tag ca. 209 kg Wasserstoff erzeugen.
Abbildungen 5 und 6 zeigen vergleichsweise die potenzielle Wasserstoffproduktion im Winter. Der Elektrolyseur schaltet erst gegen 9 Uhr zu und erreicht im Tagesverlauf eine maximale Auslastung von ca. 54 %. Bereits gegen ca. 15 Uhr kommt die Wasserstoffproduktion zum Erliegen. Der Elektrolyseur konnte an diesem Tag nur ca. 45 kg Wasserstoff produzieren. Stromüberschüsse treten an diesem Tag kaum auf - der verfügbare PV-Strom wird nahezu vollständig zur H2-Produktion verwendet.
Kann ausreichend Wasserstoff zur Betankung der Busse bereitgestellt werden?
Zur Beantwortung dieser Frage muss das H2-Produktionsprofil mit dem H2-Verbrauchsprofil verglichen werden.
Das Verbrauchsprofil wird durch die zu betankenden Wasserstoffbusse an der Wasserstofftankstelle definiert - insbesondere die Betankungsmenge und das Betankungszeitfenster sind relevante Eigenschaften. Vereinfachend wurde davon ausgegangen, dass drei Betankungszeitfenster gemäß dem Fahrplan der Busse vorliegen. Es finden zwischen 5-7 Uhr, 11-13 Uhr und 16-18 Uhr jeweils zwei Bus-Betankungen statt. Jeder Bus benötigt 34 kg, um seinen Tank wieder vollständig zu füllen. Der Elektrolyseur muss somit bilanziell ca. 204 kg pro Tag bereitstellen.
Abbildung 7 zeigt für den Sommertag die H2-Produktion des Elektrolyseurs im Vergleich zum H2-Verbrauch an der Wasserstofftankstelle, welche nicht deckungsgleich sind. Die Bedarfe sind in den Betankungszeitfenstern deutlich größer als die gleichzeitig stattfindende H2-Produktion. Selbst bei Maximalproduktion des Elektrolyseurs kommt es zu einer sichtbaren Unterdeckung. Diese Unterdeckung wird in der Realität durch Wasserstoffspeicher ausgeglichen, welche die kurzfristigen Spitzenbedarfe bereitstellen. Diese müssen jedoch nach ihrer Entleerung wieder aufgefüllt werden, sodass sie für nachfolgende Betankungszeitfenster einsatzfähig sind. Bilanziell würden an einem solchen Tag ca. 209 kg Wasserstoff erzeugt werden (siehe Abschnitt 2), wodurch der Bedarf von ca. 204 kg gedeckt werden könnte.
In Abbildung 8 ist deutlich erkennbar, dass an einem Referenz-Wintertag zwangsläufig eine Unterdeckung zu erwarten ist - selbst mit entsprechenden Wasserstoffspeichern. Der Elektrolyseur könnte an solch einem Wintertag nur ca. 45 kg Wasserstoff produzieren, was 22 % des Tagesbedarfs entspricht.
Fazit
Diese Analyse konnte mit Edgar HyPro generiert werden und ist durch den Nutzer mit wenigen Clicks selbst zu erstellen. Es stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen und Systemanpassungen daraus abgeleitet werden können. Nachfolgend einige Gedanken unserer Edgar-Wasserstoffexperten:
Wasserstoff muss gespeichert werden, um Erzeugung und Verbrauch zeitlich zu entkoppeln und Spitzenbedarfe auszugleichen.
An sonnenarmen Tagen müsste zwangläufig auf Strom aus dem öffentlichen Netz zurückgegriffen werden, damit ausreichend Wasserstoff zur Betankung der Wasserstoffbusse bereitgestellt werden kann. Dieser ist durch Netzentgelte und weitere Abgaben deutlich teurer als vor Ort verfügbarer Strom aus einer PV-Anlage, wodurch sich die Wasserstoffgestehungskosten erhöhen. Dabei sind jedoch begrenzte Anschlussleistungen am Netzverknüpfungspunkt zu berücksichtigen.
Es könnten weitere Stromquellen hinzugefügt werden, welche das PV-Erzeugungsprofil komplementär ergänzen (z.B. Windkraftanlagen, über sogenannte Power Purchase Agreements - PPA's).
Der Elektrolyseur könnte in dieser Case Study etwas größer dimensioniert werden. Dies geht jedoch einher mit höheren Investitionskosten bei gleichzeitiger Reduzierung der durchschnittlichen Auslastung über den Jahresverlauf.
Der Einsatz eines Batteriespeichers könnte in Erwägung gezogen werden, um Stromüberschüsse der PV-Anlage in Spitzenzeiten zu speichern. Dieser zwischengespeicherte Strom könnte in den Abendstunden bzw. frühen Morgenstunden durch den Batteriespeicher bereitgestellt werden. Die Wirtschaftlichkeit ist hierbei kritisch zu prüfen.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Erzeugungspotenzial aus PV-Anlagen sich von Standort zu Standort unterscheiden kann. Die Verfügbarkeit (Volllaststunden) der PV-Anlagen ist beispielsweise im Süden von Deutschland deutlich höher als im Norden.
Die Busflotte bestand in unserer Case-Study aus 12 Wasserstoff-Fahrzeugen, wobei jeder Bus jeden 2. Tag betankt werden muss. In Zukunft könnte diese Busflotte in einem Ausbauszenario erweitert werden. Die H2-Erzeugung und H2-Speicherung müsste in diesem Fall ebenfalls ausgebaut werden.
Möchten auch Sie grünen Wasserstoff über Ihre PV-Anlage oder anderen EE-Anlagen erzeugen? Haben Sie Fragen dazu oder möchten wissen, wie das in Ihrem Fall optimale Setup aussehen kann? Wir helfen Ihnen gerne über unsere individuellen Consultingleistungen oder durch Bereitstellung unserer Wasserstoffprozessketten-Software Edgar HyPro zur eigenen Erarbeitung. Sprechen Sie uns gerne an!
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Robin Neuber | Diplom-Kaufmann